Online-Pressekonferenz über das Projekt "Fit in der Berufsschule" mit Axel Stumpf (o.v.l.), der Bonner Diakonie-Öffentlichkeitsreferentin Andrea Hillebrand und Birgit Binte-Wingen, Leiterin der Freiwilligen-Agentur An Sieg und Rhein, sowie Reiner Zaum (Diakonie An Sieg und Rhein, u.v.l.), Azubi Rohullah Essani und von der Bonner Diakonie Helmuth Göbel und Marko Grzincic.

Fit in der Berufsschule – Die Tandem-Story

von Anna Neumann

21.01.2021

Erfolg ist möglich - zum Beispiel, wenn ein erfahrener ehrenamtlicher Pate einem jungen Auszubildenden, der als Geflüchteter nach Deutschland gekommen ist, dabei hilft, fit im Berufskolleg zu werden.


Er ist 20. Und er ist echt schon sehr weite Wege gegangen in seinem Leben. Als Kind raus aus Afghanistan, auf halbem Weg irgendwo nirgendwo unterwegs gewesen. Kinderarbeit. Als Teenager in Deutschland gelandet. Angekommen?

Er ist 63. Und hat beruflich wirklich was geleistet. Dreißig Jahre. Verantwortlich tätig bei der Telekom. Dann stand die Pensionierung an und er hat sich mehrere Alternativen angeschaut, suchte „eine konkrete Aufgabe“, wie er sagt.

Und dann kreuzten sich die Wege von Rohullah Essani und Axel Stumpf vor einem Jahr. Der angehende Verkäufer und der Leiter Operativer Einkauf im Ruhestand – paukten Mathe-Textaufgaben in einer Blockhütte der Flüchtlingsunterkunft; alle halbe Stunde lüften, es ist ja Corona. Manchmal auch in einem Raum der Diakonie.

Paten-Modell

Denn Essani, der Azubi beim Lebensmittel-Discounter Netto, brauchte Unterstützung, vor allem in den schriftlichen Fächern. Er musste „Fit in der Berufsschule“ (FiBs) werden, so heißt das Projekt, das Ehrenamtliche und Geflüchtete matcht, Tandems wie Essani und Stumpf.

Das vom jobcenter rhein-sieg geförderte Projekt, zunächst bis 31. August befristet, koordiniert im Rechtsrheinischen Reiner Zaum von der Diakonie An Sieg und Rhein – und er sucht sehnlichst weitere Paten, also Ehrenamtliche, die Azubis unterstützen. Koordination – das beinhaltet die Unterstützung der Unterstützer: Pat*innen erhalten Schulungen, bekommen immer ein offenes Ohr, wenn Fragen entstehen.

Erfolg im zweiten Anlauf

„Wir beide haben uns von Anfang an gut verstanden“, sagt Axel Stumpf über sich und seinen Patenschüler. Das ist Teil der Erfolgs – der sich aber nicht sofort einstellte. Im vorigen Sommer der Rückschlag: Rohullah Essani bestand zwar im Mündlichen, scheiterte aber in zwei schriftlichen Prüfungsteilen.

Und kämpfte mit doppelter Angst: Würde er die Nachprüfung bestehen? Und wie sieht es mit dem Bleiberecht aus, sollte er ein zweites Mal durchfallen? Immenser Druck.

Und schließlich riesige Erleichterung: Im November der zweite Anlauf, Ende Dezember dann die erlösende Nachricht: Essani hat bestanden. Vorige Woche kam das Zeugnis.

Ehrenamt muss eben auch Spaß machen

Und so ist auch die Patenschaft erst einmal im Ziel. Essani hat taufrisch einen Vertrag bis kommenden Sommer bekommen. Und dann will er weiter machen und den Einzelhandelskaufmann draufsetzen. Falls doch noch mal nötig – Axel Stumpf sagt, bei Bedarf ist er auch nochmal an Essanis Seite.

Er hat „keine Lehrveranstaltung“ aufgezogen, erzählt Stumpf, wie der das „Fitmachen“ angegangen ist. Stattdessen hat er vergangene Prüfungsaufgaben besorgt und ist sie mit Essani durchgegangen. Texte verstehen, Lösungen durchgehen, üben. Vom Bezugspreis den Verkaufspreis berechnen, sowas. „Es hat Spaß gemacht.“

Typisch! Birgit Binte-Wingen, Leiterin der Freiwilligen-Agentur des Rhein-Sieg-Kreises, angesiedelt bei der Diakonie An Sieg und Rhein, weiß: Ehrenamt ist ein Geben und Nehmen. Es zündet, wenn sich das Hauptmotiv erfüllt: wenn die Aufgabe Freude macht.

Weitere Pat*innen gesucht

Seinen Ursprung hat das Projekt „Fit in der Berufsschule“ auf der anderen Rhein-Seite: Die Diakonie Bonn und Region nahm den Ball aus dem jobcenter rhein-sieg auf. Und so wirbt auch der FiBs-Koordinator der Bonner Diakonie, Marko Grzincic, herzlich für Patinnen und Paten, die jungen Geflüchteten Starthilfe ins Berufsleben geben.

Rohullah Essanis Arbeitgeberin freut sich übrigens auch – mit Rohullah Essani „langfristig eine engagierte Nachwuchskraft im Team zu haben“. Vielfalt und Chancengleichheit seien zentrale Bestandteile der Unternehmenskultur von Netto, schreibt Christina Stylianou weiter, Leiterin der Netto-Unternehmenskommunikation.

So hat die Tandem-Story funktioniert.

 

Links

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