Es ist unsere Diakonie
Sie arbeiten gern zusammen – aber diese gemeinsame Zeit geht dem Ende zu. Pfarrer i.R. Ulrich Pollheim (70) hat nicht mehr für den Kreisdiakonieausschuss und den Vorstand der Diakonie An Sieg und Rhein kandidiert. Christoph Wolf (60) scheidet zum Jahresende bei der Diakonie aus, deren Suchthilfe er viele Jahre geleitet hat, bevor er Referent für Personal und Finanzen wurde. Sie arbeiten gern zusammen – und sind dann beflügelt von ihrer gemeinsamen Liebe zu Bluesmusik. Der eine hat zur Feier des gemeinsamen Abschiedsinterviews ein Hazmat-Modine-Shirt angezogen.
WOLF: Wir sind ja beide Fans von Blues. Hazmat Modine ist eine Band aus New York. Das ist der beste Blues einer Nichtbluesband. Ich gehe gern zu deren Konzerten, wenn sie nach Deutschland kommen.
POLLHEIM: Ich habe ein Ticket für „Ten Years After“, eine britische Bluesrock-Band. Darauf freue ich mich schon.
Sie teilen die Begeisterung für Blues, aber auch für widerständige Bands und Liedermacher.
WOLF: Ich habe beizeiten „Ton Steine Scherben“ gehört, auch „Schröder Roadshow“ mit ihren vielen gesellschaftskritischen Liedern
POLLHEIM: Ich habe linke deutsche Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt und Hannes Wader gehört. Ich passte damals perfekt in die Anforderungen für angehende Pfarrer. Bei Studienbeginn hat der Rektor der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal gesagt: Gute Theologen müssen fromm und links sein.
WOLF: Das Links-Sein galt auch für gute Sozialarbeiter. Fromm waren nicht alle.
POLLHEIM: Jedenfalls bin ich fromm und links.
Wie definieren Sie links?
POLLHEIM: Ich bin ein christlicher Sozialist. Mit 16 war ich ein Unikum: Ich war im CVJM und in der DKP, wobei ich die DKP verlassen habe, als sie zu DDR-lastig wurde. Ich bin längst im linken Flügel der SPD angekommen.
WOLF: Das ist eine klassische Metamorphose.
Wie definieren Sie sozialistisch?
POLLHEIM: Güter auf der Welt gerecht verteilen.
WOLF: Auch das Studium der Sozialarbeit hatte zu meiner Zeit eine gesellschaftskritische Komponente: Es ging nicht nur darum, den Menschen zu helfen, sondern auch die Wurzeln des Übels anzugehen und zum Beispiel die ungerechte Verteilung von Ressourcen zu kritisieren. Ich bin zum Diakonischen Werk gekommen, weil ich dort das Richtige tun konnte: Menschen unterstützen, die nichts bekommen haben, nicht teilhaben konnten.
POLLHEIM: Für mich entspricht das der Forderung von Dietrich Bonhoeffer: Menschen helfen und dem Rad in die Speichen fallen, also auch Stellung beziehen…
WOLF: … und Sprachrohr sein für die Menschen, die unter die Räder gekommen sind.
In Ihren jeweiligen Aufgaben im Vorstand bzw. in der Suchthilfe-Leitung und als Referent Personal und Finanzen in der Diakonie haben Sie das beide umgesetzt.
WOLF: Zu meinen Aufgaben als Leiter und Referent gehörte, möglichst gute Rahmenbedingungen herzustellen für diejenigen, die die Arbeit tun. Sie sollen lange gut und gern arbeiten können. Ohne auszubrennen zum Beispiel. Bei uns bleiben die Mitarbeitenden lange – so soll das sein.
POLLHEIM: Bei mir ist es so gewesen: Als Pfarrer habe ich Grenzen. Seelsorge gehört noch zu den Aufgaben, mehr aber nicht. Ich sage: Dafür haben wir die Fachleute im Diakonischen Werk. Wenn jemand bei mir als Pfarrer steht, dann kann ich die soziale Lage nicht beurteilen. Ich habe nicht das Fachwissen. Deshalb verweise ich an die Diakonie. Und in der Konsequenz heißt das: Als Gemeinde unterstütze ich die Diakonie, damit sie ihre Arbeit gut tun kann. Das haben wir in der Friedenskirchengemeinde in Troisdorf gut hinbekommen.
WOLF: Ich war ja häufig zu Gast in eurem und anderen Presbyterien. So habe ich mitbekommen, dass die Mitglieder wirklich an unserer Arbeit interessiert waren.
POLLHEIM: Zunächst konnten wir als Kirchengemeinde eine wirklich große Summe für diakonische Zwecke einsetzen. Allein die Suchthilfe konnten wir dank einer Rücklage zehn Jahre lang verlässlich bezuschussen. Das Schöne ist: Vieles geht weiter. Die Sozialberatung und die Migrationsberatung für Erwachsene werden bis heute fortgeführt.
Was hilft noch, damit die Zusammenarbeit von Kirchengemeinde und Diakonischen Werk gelingt?
POLLHEIM: Meiner Erfahrung nach liegt es auch an Personen. Briefe genügen nicht. Es braucht menschliche Verbindungen. Mir hat gefallen, dass die Diakonie kürzlich die Diakoniekirchmeister*innen und Vorsitzenden der Diakonieauchüsse der Gemeinden zu einem Treffen zusammengebracht hat.
WOLF: Außerdem halte ich es für wichtig, dass sich die verschiedenen Akteure über die Schnittmenge, was man bewegen will, einig sind. Die Beteiligten müssen gemeinsame Sache machen. Gemeinde und Werk müssen in gutem Kontakt sein und dann zusammen an den Problemen arbeiten.
POLLHEIM: Wichtig ist, dass man auch über den eigenen Tellerrand hinausblickt. Wie gesagt: Gemeinden brauchen die Fachleute der Diakonie. Deshalb müssen sie die Diakonie unterstützen. Als die Schwangerenberatung, die ja in Siegburg angesiedelt ist, einmal nach Spenden für Verhütungsmittel gefragt hat, haben auch wir in Troisdorf einen ordentlichen Betrag bewilligt. Die Suchthilfe hat zwar ihren Sitz in Troisdorf und die Schwangerenberatung in Siegburg, aber sie sind doch für die ganze rechtsrheinische Seite im Kreis zuständig.
Wie wichtig ist jeweiliges kommunales Engagement?
POLLHEIM: Gespräche sind wichtig und fruchten. In den Anfangsjahren hat der damalige Troisdorfer Sozialdezernent gegen die Suchthilfe vom Leder gezogen – das Café Koko fördere Drogentourismus. Aber dann dürfte man ja nirgendwo eine solche Einrichtung haben.
WOLF: Er ist später zum Freund geworden. Es wurde verstanden, dass die Suchthilfe Teil der Problemlösung ist. Zeitweise hat man uns tatsächlich für das Problem gehalten.
POLLHEIM: Als wir uns in den Jahren ab 2015 stark in der Flüchtlingsarbeit engagiert haben, galt ich als Stachel im Fleisch. Die Rolle nehme ich gern an.
Nochmal andersherum gefragt: Ist es eine Binsenwahrheit, dass Kirchengemeinden und Diakonisches Werk zusammenarbeiten sollten?
WOLF: Die Zusammenarbeit stärkt. Sie hilft, gesellschaftliche Schwierigkeiten zu überwinden. Kirchengemeinden und Werk gehören zusammen.
POLLHEIM: Es darf keine Trennung geben. Aus Gemeinde-Perspektive gesagt: Es muss unser Diakonisches Werk sein.
Text und Foto: Anna Neumann
Dies ist ein Beitrag aus dem Diakonie-Newsletter 3/2024
Link
Diakonie-Newsletter beziehen