
„Das müsste schneller gehen“
von Anna Neumann
08.05.2025
Wendy M. aus Sankt Augustin hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt. 2007 kam sie als Au Pair aus Simbabwe. Sie hat ein Freiwilliges Soziales Jahr angeschlossen, in Deutschland Biomedizin studiert und am Klinikum in Bonn angefangen. Jetzt arbeitet sie in einem Betrieb, der Material für Zellforschung herstellt. Sie gehört damit zu den gesuchten Fachkräften.
Wendy M. hat nie Geld vom Staat gebraucht, spricht sieben Sprachen. Um Menschen wie sie zu gewinnen, gehen Bundesminister auf Werbetouren ins Ausland. Wenn kommunale Integrationszentren oder die Kreissparkasse gelungene Beispiele vorstellen, könnte sie dabei sein.
Trotzdem kämpft sie um ihre Niederlassungserlaubnis, „jetzt schon zwei Jahre lang“, berichtet sie ganz sachlich, als wäre das normal. Seit 18 Jahren darf sich Wendy M. nur befristet in Deutschland aufhalten, derzeit bis zum August. Sie kann sich nirgends anders bewerben und kommt nicht weiter. Denn in einer Zeit ohne Arbeit müsste sie gehen.
Wiederholt vertröstet
Gerne würde sie ein Auto finanzieren. Sie muss pendeln, und das ist mit Bus und Bahn mühsam. Doch keine Bank gibt bei unsicherem Status Kredit. „Vom Ausländeramt höre ich immer: Wir melden uns“, berichtet sie. „Aber es kommt keine Reaktion.“
Sie ist in die Sprechstunde von Brahim Elhajoui gekommen. Der hat sich ihren Fall angehört und macht sich Notizen. Er verspricht, bei der Ausländerbehörde nachzufragen. Elhajoui kennt Beschäftigte dort. Die Zusammenarbeit ist eingespielt. Er setzt darauf, dass sie ihm vertrauen. „In zwei Wochen haken wir nach, wenn wir nichts hören“, sagt er und macht Wendy M. Mut. Sie hofft nicht allein.
Gewachsener Bedarf
Brahim Elhajoui arbeitet bei der Diakonie An Sieg und Rhein in der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) in Siegburg. Er ist zuständig für Menschen ab 28 Jahren mit Aufenthaltstitel, EU-Bürger, Spätaussiedler und anerkannte Flüchtlinge im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Einer von knapp 1500 in ganz Deutschland.
Der Bedarf ist stetig gewachsen, erfährt man auf der Website des Bundesinnenministeriums. Es finanziert die Beratung, die Elhajoui mit der Diakonie anbietet, als wollte der Staat seiner eigenen Schwerfälligkeit aufhelfen.
Arbeitsdruck in den Behörden
„Das müsste schneller gehen“, sagt er nachher über Wendy M. „Manche bewerben sich, wenn sie warten müssen, in Kanada oder den USA, da kommt man leichter zum Ziel. Dann sind sie weg.“ Trotzdem will Elhajoui die Beschäftigten in den Ausländerämtern nicht kritisieren. Er kennt den Arbeitsdruck in den Behörden.
Und er hofft, dass das gute Verhältnis, das er zu Behörden aufgebaut hat, jetzt trägt und Wendy M. bald eine unbefristete Niederlassungserlaubnis in ihren Händen hält. „In der Beratung klage ich nicht“, sagt er, „das hilft niemandem. Ich versuche anzuerkennen, was die Leute geleistet haben, das baut sie auf.“ Er selbst kam vor 32 Jahren aus Marokko nach Deutschland. Seit 25 Jahren arbeitet er bei der Diakonie.
In Bonn geboren
Frau Benali kommt herein, in Bonn geboren, jetzt im Ruhestand. Mit ihrer Tochter Sarah will sie sich wieder in ihrer alten Heimat niederlassen. Beide legen deutsche Pässe auf den Tisch. Die Unterlagen im Ordner stecken in Klarsichthüllen. Als sie sechs war, ging ihre Familie zurück nach Algerien. Frau Benali hat dort 32 Jahre als Französischlehrerin gearbeitet und eine Rente aufgebaut.
Sie ist an Krebs erkrankt, und ihr algerischer Arzt hat ihr geraten, ins Ausland zu gehen, weil er nicht helfen könne. Aber algerische Dinar sind nicht konvertibel. Deshalb hat sie nichts von ihrer Rente.
Richtige Hülle
Eine Freundin beherbergt die beiden kostenlos. Sarah will eine Lehre machen als Bürokauffrau. „Mit ihrem Abschluss müssen Sie studieren“, sagt Brahim Elhajoui.
Es wird ruhig. Er macht sich daran, den Antrag auf Grundsicherung auszufüllen, und fragt Informationen ab, die ID, die IBAN. Es gibt kurze Gespräche zwischen Mutter und Tochter. Immer greift Sarah in die richtige Hülle.
Wolfgang Thielmann
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