Screenshot / Ausschnitt aus der Präsentation der Studierenden der TU Karlsruhe

Studierende entwerfen innovatives Pilotprojekt – Radikal und crazy

von Anna Neumann

10.02.2023

Sie sind ein kreatives Team. Immer neue Ideen sprudeln aus ihnen heraus – auch im Abschlussgespräch zu ihrem Pilotprojekt mit der Diakonie An Sieg und Rhein.


„Radikale Innovation“ heißt das Uni-Format: Dort haben sechs Studierende der Hochschule Karlsruhe im Master-Studiengang „Technologie Entrepreneurship“ für die Diakonie An Sieg und Rhein ein mögliches zukünftiges Wertschöpfungsmodell entwickelt.

Der Hintergrund: Langfristig gehen die Kirchensteuereinnahmen zurück. Viele staatliche Finanzierungen sind Projektfinanzierungen, erlauben somit keine ganzheitliche Hilfe. Die Diakonie An Sieg und Rhein arbeitet daran, nachhaltige Wertschöpfungsmodelle zu entwickeln, um die wichtigen sozialen Aufgaben langfristig zu sichern. Da kam das Uni-Team gerade richtig: Die Studierenden knöpften sich die Finanzierungsfrage als Praxis-Lernfeld vor. Im Ergebnis empfehlen sie ein „Produkt“ mit dem Titel „EmployeeCare“. Wohlgemerkt: Es ist eine Empfehlung; die Entscheidung über eine Umsetzung verbleibt bei der Diakonie und ist noch völlig offen.

So lässt sich die Projektidee skizzieren: Die Diakonie bietet neben ihrer gewohnten Sozialberatung auch Beratung für Mitarbeitende und vor allem Führungskräfte von Wirtschaftsunternehmen an. Diese Dienstleistung für Firmen ist natürlich kostenpflichtig und bringt somit Einnahmen in die Kasse der Diakonie.

„Wir haben ein Match“

Die Diakonie An Sieg und Rhein und das jeweilige Unternehmen schließen einen Vertrag. Unternehmensangehörige können die Beratung in Anspruch nehmen. Themen wie Stressbewältigung, Work-Life-Balance, Sucht- und Konfliktberatung stehen auf Unternehmensseite vorn an. Und die Fachleute bei der Diakonie können genau dabei helfen – präventiv oder auch akut. Für das Unternehmen rechnet sich die Investition – Personalausfall wird schließlich eingedämmt, so die Analyse der Studierenden. „Wir haben ein Match“, formulierte ein Student bei der Präsentation des Pilotprojekts.

Die Diakonie An Sieg und Rhein war einer von vier Praxispartnern der Hochschule.  Geschäftsführer Patrick Ehmann, die Fachbereichsleiterin der Offenen Sozialarbeit, Michaela Teigelmeister, und die Referentin für Digitale Transformation, Andrea Bender, haben das Projekt seitens der Diakonie An Sieg und Rhein begleitet.

Dank an die Studierenden

Die Diakonie An Sieg und Rhein prüft nun, wie die Erkenntnisse aus dem Projekt in die eigene Innovationsstrategie einfließen können. Ehmann bewertet das Projekt als vollen Erfolg: „Genau das habe ich erwartet. Dass von außen kreative Menschen auf unsere Situation blicken und uns neue Ideen liefern. Ich bin den Studierenden sehr dankbar.“

Im Abschlussgespräch hakte Ehmann bei den Studierenden nach, ob sie im Laufe ihrer Projektarbeit weitere Ideen hatten, „Ideen, die Ihr unterwegs verworfen habt“, wie Ehmann fragte. Das hatten sie in der Tat, und zwar Ideen, die sie später ausgefiltert haben, weil sie zwar gut sind, aber zur Finanzierung nicht oder nur unwesentlich beizutragen scheinen. Vielleicht könnte man „so etwas wie eine Dating-Plattform“ entwickeln, um Hilfesuchende auf ihrem Weg zur Hilfe zu begleiten, berichtete ein Student.

Hilfe bei der Hilfe mit Videos und VR-Brille

Eine andere, nicht weiter vertiefte, aber eben angedachte Idee: Vielleicht würde es helfen, Videos für Klient*innen anzubieten, um klassische Beratungsthemen gut aufzubereiten. Der Nebeneffekt: Diakonie-Berater*innen müssen bestimmte Fragen nicht immer wieder einzeln beantworten. Zum Beispiel eine Anleitung für das Ausfüllen von Anträgen. „Wir haben von Sprachproblemen gehört“, erläuterte ein Student im Abschlussgespräch. Digital ließen sich ja unkompliziert mehrere Sprachen abdecken – „statt für jeden Einzelfall einen Dolmetscher zu organisieren.

Herumgesponnen hatte das Team beim anfänglichen Brainstorming auch an Lösungen mit VR-Brille. Ihre Überlegung: Beratung individuell digital optimal unterstützen.

Über freiwillige Bezahlung nachgedacht

„Pay what you want“ – unter diesem Schlagwort haben die Studierenden ein Finanzierungsmodell angedacht, bei dem Beratene freiwillig zahlen. Geschäftsführer Patrick Ehmann brachte das mit folgender Praxiserfahrung in Verbindung: „Immer mal fragen uns Leute, »was kostet es jetzt?« und sind verwundert, dass die Beratung für sie kostenlos ist. Das haben wir nie als Ertragsmodell in Erwägung gezogen.“

Kurz und gut: Schon ihr Brainstorming zu Beginn habe viele sinnvolle Dinge ergeben, erzählte ein Student rückblickend, „und viele crazy Ideen“.